2019-08-12 / „Das ist sinnvoll“
„Das ist sinnvoll“
… oder doch „Makes sense“?
Die im deutschen grammatikalisch richtige Formulierung ist (leider) nicht so zutreffend wie die aus dem Englischen eingedeutschte Redewendung „Das macht Sinn“. Worauf das Sprachproblem hindeutet, ist die Frage, ob es Sinn außerhalb von unserem Geist gibt, ob er absolut oder relativ ist.
Unter den vielen Anglizismen, die wir tagein, tagaus zu hören bekommen, gibt es einen, der besonders erfolgreich ist: „Das macht Sinn“. Vermutlich klingt diese Redewendung inzwischen vollkommen korrekt. Wie sieht es mit Ihnen aus? Haben Sie sich auch schon einmal dabei ertappt, wie Sie von etwas sprechen, das „Sinn macht“? Wahrscheinlich schon…
Vielleicht fragen Sie sich gerade, was an dieser Formulierung so problematisch ist und wie man es richtiger sagen könnte. Die erste Frage hierzu ist zunächst aber, wann wir überhaupt zu dieser Floskel greifen. Meiner Beobachtung nach kommt sie immer dann zum Einsatz, wenn jemand etwas sagt, das beim Zuhörer einen kleinen Aha-Moment auslöst. Plötzlich scheint alles klar zu sein, verschiedene Elemente passen zusammen, eine Situation, die zuvor verworren war, wird verständlich. Oder aber jemand bringt eine gute Lösungsidee für ein Problem, an dem wir gerade zu knabbern haben. Oft wird der Ausdruck „Das macht Sinn“ in Augenblicken gebraucht, in denen wir eine gewisse Erleichterung verspüren, weil sich etwas klärt. Wir hören etwas, auf dem wir aufbauen können, was unsere Überlegung voranbringt oder es uns erlaubt, eine Entscheidung zu treffen. Was wir also meinen, wenn wir sagen: „Das macht Sinn“, ist, dass etwas sich für uns anhört, als sei es sinnvoll.
Im Deutschen ist die genaue Entsprechung „etwas hat Sinn“. Der Unterschied zur englischen Redewendung ist signifikant. Denn in einem Fall deutet die Formulierung an, der Sinn liege im Gegenstand selbst. Wir hören übrigens diese Formulierung wesentlich öfter in ihrer Negierung als in der positiven Form: „Es hat doch sowieso keinen Sinn.“ Das sagen wir meistens dann, wenn wir entmutigt sind und denken, unsere Handlung wird zu keinem nützlichen Ergebnis führen. Oder wenn wir jemanden dabei beobachten, der gerade etwas tut, das in unseren Augen nicht logisch und zielführend ist.
In jedem Fall verlegt die Redewendung „Das hat Sinn“ den Sinn selbst an einen Ort außerhalb von uns. Man könnte sagen, diese Redewendung suggeriert einen absoluten Sinn, den es irgendwo da draußen gibt. Die englische Version dagegen, „It makes sense“, vermittelt den Eindruck, als ob ein Objekt von außen auf uns einwirkt und aktiv einen Sinn schafft. Wenn wir etwas länger darüber nachdenken, drängt sich die Frage auf, wo eigentlich dieser Sinn entsteht, der da „gemacht“ wird. Die Antwort ist ziemlich offensichtlich. Der Sinn kann nur da entstehen, wo er als solcher wahrgenommen wird, nämlich im Geist der Sprechenden. Etwas anderes kann es nicht sein, denn wir können sonst nirgendwo eine Veränderung beobachten, wenn jemand davon spricht, etwas mache Sinn. Das Wort „machen“ bezieht sich zwar auf eine Handlung, die wir aber als virtuell bezeichnen können. Die Handlung ist real, doch passiert sie im Verborgenen der neuronalen Netzwerke des Redners.
Ich glaube, die meisten von uns wissen sehr wohl, dass Sinn nichts ist, das in den äußeren Gegenständen zu finden ist. Zumindest rein intellektuell ist es bekannt. Da man kein Stück Sinn in die Hand nehmen kann und sagen: „Oh, das ist aber ein schöner Sinn…“, da Sinn keine Farbe, Form, Textur oder sonst etwas Sinnliches an sich hat – aller Wortverwandtschaft zum Trotz –, sucht niemand nach Sinn als einem Objekt. Das wäre auch wirklich lächerlich.
Und doch… wird Sinn sehr oft als etwas Absolutes, im Äußeren Existierendes behandelt. Es wird wie eine Tatsache gesehen, über die sich nicht diskutieren lässt. Kennen Sie Sätze wie: „Das hat doch gar keinen Sinn, was die da machen! Sehen die das denn nicht??!“. Es wird die Frage gestellt, ob jemand den Sinn oder Unsinn nicht „sieht“. Doch wie könnte man etwas sehen, dass es gar nicht gibt, zumindest nicht als Objekt? Diese Redensart ist wiederum ein Beweis für unsere Verdinglichung von Sinn.
Was, fragen Sie sich jetzt vielleicht, ist denn dabei so problematisch? Ganz einfach, bei etwas, das wirklich da ist, für alle sicht- und nachvollziehbar, braucht man nicht zu diskutieren. Das Haus ist weiß (und nicht grün, von der Frequenz des Lichts her gesehen), das Auto ist 4,56 Meter lang und nicht 4,95 Meter. Punkt. Ende der Diskussion. Dies oder das hat Sinn oder eben keinen Sinn. Auch Punkt. Auch Ende der Diskussion. Nur, was passiert, wenn jemand doch diskutiert? Dann wird es absurd. Dann kann man um die Wahrheit kämpfen. Dann kann man denjenigen, der die Dinge nicht so sieht, wie man selbst, für verrückt erklären. Denn wer würde schon behaupten, ein weißes Haus sei grün? Da muss man schon ein bisschen, wenn nicht gar ganz, verrückt sein. Genauso kann man sich trefflich darüber aufregen, wenn jemand etwas offensichtlich Sinnvolles nicht tut. „Das kann doch nicht wahr sein!“, denken wir dann, „es wäre so viel einfacher/schneller/leichter/besser/etc…“
Aber genau das ist das Problem bei allen subjektiven Dingen dieser Welt. Zurzeit ist es wieder besonders deutlich zu sehen bei Fragen des Glaubens. Jesus ist der Sohn Gottes/ Jesus war nur ein Prophet unter mehreren/ Jesus war nur ein Mensch, wenn auch ein besonders guter/ Jesus ist nur eine erfundene Figur usw. Was auch immer die Wahrheit nun ist, die keiner kennt, jeder versucht seine eigene Wahrheit als das Reale hinzustellen. Doch wenn es darum geht, Sinn zu vermitteln, sind solche Haltungen wenig sinnvoll. „Macht“ das für Sie Sinn?
Wenn wir also die relative Dimension von Sinn akzeptieren, wenn wir Sinn als etwas fundamental Subjektives wirklich verinnerlicht haben, können wir uns viel entspannter mit der Frage auseinandersetzen, was denn nun genau dieses Gefühl von Sinn hervorruft. Solange das nicht der Fall ist, werden wir immer dazu neigen, unsere Ansicht über eine Situation oder ein Thema als die Realität zu betrachten. Das macht es schwer, uns in andere hineinzuversetzen. Ebenfalls schwierig wird es dann, ein Gefühl von Sinn zu vermitteln.
Eine wichtige Frage ist, unter welchen Bedingungen ein Mensch denkt oder sagt: „Das macht Sinn“. Die Formulierung selbst dieser Frage ist bereits ein erster Hinweis, worauf es dabei ankommt. Denn Sinn ist ein bedingtes Phänomen, das vom Kontext und dem Zusammenkommen verschiedener Ursachen abhängt. Nichts anderes heißt „relativ“ in diesem Zusammenhang. Nämlich die Abhängigkeit von mehreren Ursachen. Das lässt sich allein schon daran erkennen, dass niemand sagen kann, etwas sei immer und zu jeder Zeit sinnvoll. Eine solche Aussage hängt immer von den Umständen ab.
Gerade für Führungskräfte ist diese Tatsache eine besondere Herausforderung. Denn der Kontext, in dem ein Mitarbeiter eine Botschaft von seinem Vorgesetzten empfängt, die ja möglichst immer als sinnvoll erlebt werden sollte, ist oft intransparent. „Kontext“ hat viele Facetten, sowohl private als auch berufliche. Letztere kann die Führungskraft gegebenenfalls noch gut überblicken, wenn sie nah genug am Alltag der Mitarbeiter dran ist. Alles, was den privaten Bereich betrifft, ist fast nicht zu überschauen und zu berücksichtigen. Zumindest wäre der Aufwand viel zu hoch, ganz gleich, wie lohnend er wäre.
Das heißt nicht, die Situation sei aussichtslos. Denn meistens können wir intuitiv recht gut erfassen, wie es anderen geht. Selbst ohne einschlägiges oder detailliertes Wissen über alle Lebensbereiche des Ansprechpartners können wir uns einfühlen, wenn wir nur wollen. Das bedeutet nicht, dass man niemals daneben liegt und daher ganz falsche Botschaften sendet. Dadurch können natürlich Probleme entstehen und es bleibt uns nichts anderes übrig, als so schnell wie möglich nachzujustieren. Abgesehen von solchen Missgeschicken, die jedem passieren können, ist es in der Regel möglich, den Kontext, in dem der Empfänger fühlt und denkt, zu begreifen. Wir können daraus schließen, was zu tun ist, um Sinn zu vermitteln.
Damit dies gelingt, ist es wichtig, immer wieder innezuhalten und sich zu fragen, ob wir gerade dabei sind, unter der Prämisse zu kommunizieren, der andere sehe die Welt genau wie wir. Falls dies der Fall ist, sollten wir innerlich einen Schritt zurück treten und noch einmal genau nachdenken. Tatsächlich ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass der andere die Welt gerade wie wir selbst sieht. Schon allein diese Frage zu stellen und sich selbst kritisch zu hinterfragen kann genügend, um die Qualität der Kommunikation zu steigern. Sofort korrigieren wir unmerklich unsere Botschaft und erreichen den Gesprächspartner leichter.
An dieser Stelle müssen verschiedene Haltungen und Weltsichten erwähnt werden, die es erleichtern oder erschweren, Informationen auf „Sinn schaffende“ Weise zu kommunizieren. Eine dieser Haltungen kann man – frei nach Kant – als „kategorisch“ bezeichnen. In diesem Fall neigen wir dazu, die Dinge als gegeben anzunehmen. Und zwar derart gegeben, wie wir selbst sie sehen. Die Grundhaltung, mit der wir an die Dinge herangehen, kann sich dann unter dem Satz subsumieren lassen: „Das sind die Fakten“. Diese Sicht der Dinge schließt eine zweite Option aus. Es gibt dann nur eine richtige Weise, die Dinge zu tun, die vom Kontext unabhängig gilt. Denn die Fakten sind schließlich die Fakten. Warum sollte hier diskutiert werden. Wir gehen mit Gewissheiten auf die Welt zu und können dementsprechend sehr ungehalten werden, wenn wir mit Situationen konfrontiert werden, die mit diesen Gewissheiten kollidieren. Wir vertreten Standpunkte mit Überzeugung und sind wenig flexibel. Das genau heißt „kategorisch“. Es deutet auf ein Etwas hin, das unabhängig von Zeit und Ort immer gültig ist. Etwas, das das Adjektiv „kategorisch“ verdient, hängt nicht von Bedingungen ab.
Der Vorteil einer solchen Haltung ist der Durchsetzungswille, der damit zwangsläufig einhergeht. Wenn wir eine kategorische Sicht haben, müssen wir zwangsläufig kämpferisch sein oder besonders beharrlich, um uns durchzusetzen. Und durchsetzen müssen wir uns, denn wir haben zwangsläufig recht und zwar kontextunabhängig. Die Kehrseite dieser Haltung ist die damit einhergehende Manipulierbarkeit. Unser Verhalten ist dann nämlich leicht vorhersehbar und somit kann ein geschickter Gesprächspartner, der unsere Überzeugungen durchschaut hat, uns gezielt an den Punkt bringen, an dem er uns haben möchte, ohne dass wir es merken.
Eine weitere mögliche Haltung ist als „relativistisch“ zu bezeichnen. Offensichtlich herrscht in diesem Fall die Überzeugung vor, nichts sei wirklich klar und sicher. Daher wäre es vermessen, irgendeine Behauptung aufzustellen und darauf zu beharren, sie sei richtig. Denn auch wenn sie unter bestimmten Bedingungen richtig sein mag, so könnte sie doch unter anderen Bedingungen nicht zutreffend sein. Vor diesem Hintergrund gibt es keinen Anlass, übermäßig penetrant einen Standpunkt zu vertreten oder auf Fakten zu beharren. Diese Haltung ist offensichtlich das genaue Gegenteil der eben beschriebenen kategorischen Haltung und somit auch eine extreme Haltung. Sie bringt den Vorteil mit sich, in Gesprächen eine große Flexibilität zuzulassen und so besser auf den Gesprächspartner einzugehen. Auf der anderen Seite macht die relativistische Haltung es uns schwer, etwas durchzusetzen, was uns wichtig erscheint, da wir darum wissen, dass wir auch falsch liegen könnten. Somit sind wir eher bereit, das Feld zu räumen mit dem Gedanken: „Na ja, wenn es ihm so wichtig ist, soll er seinen Willen haben… Vielleicht hat er sogar recht?“.
Eine weitere Haltungsoption könnten wir als „subjektivistisch“ bezeichnen. In der Philosophie wird hier der Begriff Konstruktivismus verwendet. Dieses fantasielose Wort deutet an, dass jeder von uns sich die Welt im eigenen Kopf selber bastelt. Da sind doch solche Begriffe wie zum Beispiel „kybernetische Epistemologie“ viel cooler… Wenigstens hat das Wort „Konstruktivismus“ den Vorteil, ziemlich genau das auszudrücken, was es meint und damit leicht verständlich zu sein. Welche Konsequenzen entstehen aus dieser Haltung? Wenn wir die Welt ausschließlich als etwas Subjektives sehen, schließen wir die Möglichkeit aus, etwas über die eigentliche Realität zu sagen. Die Dinge da draußen in der Welt mögen sein, wie sie nun mal sind, wir selbst sind nicht in der Lage, diese Realität wahrzunehmen. Unsere Welt entsteht im Kopf und da mein Kopf nicht derselbe wie dein Kopf ist, sehen wir auch nicht dieselbe Welt. Mit dieser Erkenntnis geht auch das Verständnis einher, dass die wahrgenommene Realität immer von unseren Gefühlen gefärbt wird. Daher ist der Begriff „subjektivistisch“ hier besonders zutreffend. Denn mit dem Wort Subjektivität verbinden wir immer auch die individuelle Emotionalität.
Wenn wir mit dieser Haltung kommunizieren, sind wir durchaus in der Lage, eine bestimmte Position eindeutig zu vertreten. Allerdings machen wir dabei auch immer deutlich, mehr oder weniger explizit, dass es sich hier um unsere Sicht der Dinge handelt. Nichtsdestotrotz gibt es keinen Grund einzuknicken. Der Vorteil dieser Haltung liegt in der damit verbundenen Fähigkeit, die Auswirkung der Gefühle in einem Gespräch mit einzukalkulieren. Intuitiv sind wir dann in der Lage, die Einwände oder auch einfach nur die Reaktionen unserer Gesprächspartner zu erahnen. Dadurch wird unsere Gesprächsführung geschickter. Andererseits kann ein Übermaß an Einfühlungsvermögen schließlich dazu führen, dass wir uns unserer eigenen Sichtweise nicht mehr so ganz sicher sind, da unsere Gefühle stark von den Gefühlen der anderen beeinflusst werden. Hier ist es wichtig, ein gewisses Maß an Abgrenzung zu lernen, zum Beispiel, indem man sich in angemessener Weise die kategorische Haltung zu eigen macht und sich mental auf die Fakten konzentriert.
Es gibt weitere mögliche Haltungen, die sich wiederum bis ins Unendliche mischen können. Wer sich selbst gut kennt, wird auch wissen, dass er nicht in Bezug auf jedes Thema dieselbe Grundhaltung hat. Trotzdem hat jeder von uns eine klare Tendenz, eine Haupthaltung, mit der wir den Dingen begegnen. Für die Qualität der Kommunikation ist es nützlich, sich dieser Haltung bewusst zu sein und gegebenenfalls zu üben, punktuell auch andere Haltungen einzunehmen. So hat man mehrere Pfeile im Köcher und kann flexibel auf eine Kommunikationssituation eingehen.
Zusammenfassung/Überblick:
- „Das macht Sinn“, aus dem Englischen eingedeutscht, trägt der Tatsache Rechnung, dass Sinn in unserem Kopf entsteht und nicht etwa einer Situation innewohnt, wie es die deutsche Formulierung „Es hat Sinn“ andeutet.
- Wird Sinn verdinglicht, können unfruchtbare Diskussionen entstehen, welche die subjektive Dimension ausblenden.
- Das Gefühl von Sinn ist für den Einzelnen kontextabhängig. Dies ist bei Gesprächen zu beachten.
- Wir können an Situationen mit einer „kategorischen“, „relativistischen“ und „konstruktivistischen“ Haltung herangehen. Jede bringt eine andere Gesprächsführung mit sich.
- Um Sinn erfolgreich zu vermitteln, ist man gut beraten, flexibel die eine oder andere Haltung im Verlauf eines Gesprächs einzunehmen.