2019-06-12 / Alles eine Frage des Glaubens
Alles eine Frage des Glaubens
Überzeugungen und Glauben tragen entscheidend zum Funktionieren des Unternehmens bei.
Wenn wir eine Veränderung anstreben, müssen wir bei der Kommunikation die „Glaubensfragen“ berücksichtigen, die im Unternehmen herrschen. Tun wir das nicht, stoßen wir möglicherweise an eine gläserne Wand, ohne zu verstehen, warum unser Projekt nicht vom Fleck kommt.
Es ist in unserer Menschheitsgeschichte noch nicht so lange her, da glaubten alle Wissenschaftler (die damals noch nicht diesen Namen hatten), die Erde sei der Mittelpunkt des Universums oder zumindest unseres Sonnensystems. Auf diesem Glauben bauten ihre Berechnungen auf. Das System wird das ptolemäische Weltbild genannt. Ein anderer Ausdruck ist „geozentrisches Weltbild“. Wie Sie vielleicht wissen, gibt es auch heute noch viele Menschen, selbst in den sogenannten „entwickelten“ Ländern, die an ein geozentrisches Weltbild glauben, allerdings aus religiösen Gründen.
Geschichtliche/Wissenschaftliche Fakten zum Glauben
Doch in diesem Beitrag soll es in Verbindung mit dem Begriff „Glauben“ nicht um Religion gehen, mit dem er oft assoziiert wird. Wir glauben sehr vieles, das wenig oder nichts mit Religion zu tun hat. So auch in der Zeit vor Kopernikus, in der die Astronomen an eine geozentrische Realität glaubten und all ihre mathematischen Berechnungen auf dieser Überzeugung aufbauten. Und es funktionierte tatsächlich erstaunlich gut! Die Bahnen der Planeten und des Mondes konnten mit beachtlicher Präzision berechnet werden. Sogar noch 150 Jahre nach Kopernikus ergaben diese Berechnungen genauere Ergebnisse als diejenigen des heliozentrischen Weltbildes. Da das System funktionierte, musste es zwangsläufig wahr sein. Allerdings bröckelte im Lauf der Jahrhunderte, mit zunehmender Genauigkeit der Beobachtungen, der Putz ab. Zu viele komplizierte Konzepte waren nötig, wie zum Beispiel die primären und sekundären Epizyklen, um die Beobachtungen mit der Mathematik in Einklang zu bringen. Schließlich setze sich ein neues Weltbild durch, an das die heutigen Astronomen fest glauben, da es uns erlaubt, Sonden auf die Planeten zu schicken und die Beobachtungen, die unser Weltraumteleskop macht, zuverlässig zu erklären.
In der Wissenschaft gab es öfter solche Umwälzungen, die ein Glaubenssystem durch ein anderes ersetzten. Einsteins Relativitätstheorie stieß die Himmelsmechanik Newtons vom Thron, unter anderen weil sie eine kleine Unregelmäßigkeit in der Umlaufbahn von Merkur (die Periheldrehung, merken Sie sich das bitte nicht) wesentlich genauer erklären und berechnen konnte. Heute arbeiten Kernphysiker mit dem sogenannten Standardmodell, das bisher durch alle Beobachtungen bestätigt wird. Experten schließen aber nicht aus, dass das Ganze auf einer völlig falschen Grundannahme beruht. Vielleicht ist in gewisser Weise die Genauigkeit der Vorhersagen nur Glück und eine andere Theorie, die mit ganz anderen Prämissen arbeitet, liefert noch wesentlich bessere Ergebnisse und löst Fragen, vor denen wir heute noch wie der Ochs vor dem Berg stehen.
Soweit die große Geschichte. Ähnliche Beobachtungen lassen sich natürlich in anderen Bereichen machen. Glaube wirkt an vielen Stellen unserer Gesellschaften weltweit[1]. Auch in unserem Unternehmen läuft vieles auf der Grundlage von Glauben, der eine wirksame Technik für menschliche Zusammenarbeit darstellt.
Definition von Glaube
Wie wollen wir den Begriff „Glauben“ in diesem Kontext definieren? Glauben heißt, einer Vorannahme über einen nicht bewiesenen oder nicht beweisbaren Sachverhalt fest vertrauen und gemäß dieser Annahme sein Handeln ausrichten. Die Wurzel des Wortes „Glauben“ bedeutet vermutlich so etwas wie „lieb haben“ oder „gutheißen“. Um es klar zu sagen, Glauben hat etwas mit Gefühlen zu tun und ist daher ein mächtiger Motor.
Wie entsteht Glaube?
Glaube kann auf verschiedene Weisen entstehen. Die beiden üblichsten entstehen:
- durch das Vertrauen auf eine Autorität, die etwas als wahr verkündet und
- durch persönliche Erfahrungen. Diese führen dann aufgrund von Interpretationen zu verallgemeinerten Schlussfolgerungen, die der Einzelne für sich selbst als wahr verkündet.
- Erfolg
„Arbeite hart, dann wirst du erfolgreich!“
„Wir sind ‚Too Big to Fail‘.“ - Märkte
„So etwas wollen unsere Kunden nicht!“
„Das wird zu teuer!“
„Unsere Kunden kommen zu uns wegen…!“ - Veränderung
„Bei uns ändert sich sowieso nie etwas!“
„Hier ändert sich dauernd alles!“
„Egal was wir tun, es wird sowieso nicht besser!“
„Das wird bei uns nicht funktionieren!“ - Wir dürfen nicht stehen bleiben, sonst zieht der Markt an uns vorbei.
- Umfragen haben ergeben, dass 80 % unserer Kunden sehr wohl an Innovation interessiert sind.
- Nachhaltige Produkte werden zunehmend vom Käufersegment, zu dem auch unsere Zielkunden gehören, verlangt. Wir kommen also gar nicht drum herum.
- …
- Glaube ist nicht nur eine Frage der Religion. Auch die Wissenschaft hat schon immer auf der Grundlage von Glaube und Überzeugung funktioniert.
- „Glaube“ ist hier als eine Annahme über die Realität zu verstehen, an der wir unser Handeln ausrichten.
- Der Wert eines Glaubens ist, dass er uns hilft, schnelle Entscheidungen zu treffen und uns zu orientieren.
- Das Problem bei einem Glauben ist, dass es schwer ist, ihn loszulassen, auch dann, wenn er uns behindert.
- In Unternehmen gibt es kollektive Überzeugungen, die sich intuitiv ermitteln lassen.
- Argumente sind wenig nützlich, wenn es darum geht, jemanden von seinem Glauben abzubringen.
- Bei nötigen Veränderungen in einem Unternehmen, denen ein bestimmter Glaube entgegensteht, ist es gut, die Aufmerksamkeit auf einen anderen Glauben zu richten, der kein Hindernis darstellt oder sogar unterstützend wirken kann.
Dieses Phänomen kann auch kollektiv sein. So kann ein ganzes Unternehmen gewisse Dinge glauben, ohne dass der Grund für diesen Glauben oder seine Quelle je wirklich zu entdecken wären.
Glaube als Werkzeug
Die Werbung nutzt in gewissem Sinne dieses Phänomen auf perfide Weise. Viele Menschen erleben das, was in den Medien gezeigt wird, als der Ausdruck einer Autorität, der man vertraut. Daher ist wahr, was in den Medien behauptet wird. Das trifft besonders auf Fernsehen und Internet zu. Allerdings werden die meisten dies abstreiten und behaupten, sie seien durchaus skeptisch und nicht manipulierbar. Doch tatsächlich entstehen ganz unbemerkt, sozusagen unter der Oberfläche des Bewusstseins, Überzeugungen, die sich möglicherweise auf das Kaufverhalten auswirken.
Aus meiner Jugend erinnere ich mich an Aussagen wie: „Persil wäscht weißer.“, „Nutella macht das Frühstück gesund.“, „Wer keine Milch trinkt, gefährdet seinen Knochenbau (wegen Kalziummangel).“ Gerade die letzte Aussage ist absurd und lässt sich leicht demontieren, wenn man nur eine Minute darüber nachdenkt. Wie kann es sein, dass der Mensch als einziges Säugetier nach dem Säuglingsalter noch Milch braucht, um gesund zu sein? Oder sind wir Menschen etwa „Dauerbabys“? Doch obwohl die Aussage bei genauer Betrachtung abwegig ist, werden die meisten von uns ein sehr schlechtes Gefühl haben, wenn sie den Milchkonsum einstellen. Denn der Rest der Gesellschaft glaubt an das Märchen von unserem Milchbedarf. Sich als Einzelner davon zu lösen, fällt sehr schwer.
Glaube: Zwei Seiten einer Medaille
So wie es aussieht, ist Glaube also etwas, dem man mit Skepsis begegnen sollte. Aber Vorsicht, das ist natürlich nur die eine Seite der Medaille. Tatsächlich ist Glaube nicht nur ein hervorragendes Werkzeug, er ist sogar unerlässlich, um in unserer Welt (gemeint ist damit das physikalische Universum, in dem wir leben) zurechtzukommen. Der Glaube ist eine Art Abkürzung, die es uns erlaubt, ohne langes Nachdenken mit Realitäten umzugehen, deren wahre Natur wir nicht kennen und oft nicht verstehen können. Würden wir uns jedes Mal in metaphysischen Überlegungen ergehen, wenn wir vor einem schwer zu erklärenden Phänomen stehen, würden wir wahrscheinlich als Spezies nichts auf die Reihe bringen. Vermutlich würden wir sogar verhungern. Auf jeden Fall würde das mit der Fortpflanzung nicht klappen. Manche Dinge müssen einfach geschehen, ohne dass wir sie richtig begreifen…
Daher ist beim „Glauben“ nicht wichtig, ob das, was wir glauben, absolut richtig ist. Entscheidend ist, ob das, was wir glauben, funktioniert und uns weiterbringt. Die bereits erwähnten Newtonschen Prinzipien sind dafür ein schönes Beispiel. Sie haben sich zum großen Teil als falsch herausgestellt. Doch das spielt keine Rolle, denn zum einen haben sie uns wissenschaftlich weiter gebracht und auf einer groben Ebene funktionieren sie noch heute hervorragend. Praktisch alle unsere Ingenieure arbeiten damit und die Ergebnisse lassen sich sehen.
Schwierig wird es, wenn wir stur an einem Glauben festhalten, obwohl er zum Hindernis geworden ist. Dann verliert dieser Glaube seine nützliche Funktion und bereitet uns mehr und mehr Probleme. Doch da Glaube tief sitzt, schieben wir die Schuld für unsere Probleme gern den Umständen oder anderen in die Schuhe.
Wie schmerzlich das Loslassen eines solchen Glaubens sein kann, hat Max Planck erlebt. Beim Versuch eine Beobachtung (das Glühen eines so genannten „schwarzen Körpers“) mit den mathematischen Formeln in Einklang zu bringen, musste er die wichtigsten Überzeugungen der Physiker seiner Zeit über Bord werfen. Das hat bei ihm zu wochenlangem seelischen Leiden geführt[2].
Gerade in der heutigen Zeit extrem schneller Entwicklungen ist es eine große Herausforderung, mit unseren diversen Glauben umzugehen. Da die Rahmenbedingungen sich ständig ändern, müssten wir eigentlich immer wieder überprüfen, wie gut unser jeweiliger Glaube funktioniert. Doch das übersteigt nahezu die Leistungsfähigkeit unserer Gehirne. Das Überprüfen und Ändern von Überzeugungen und Glauben fordert sehr viel Energie. Unser Gehirn ist auf diese Art von Gymnastik einfach nicht ausgelegt.
Glaube und Kommunikation im Unternehmen
Mit diesen Hintergrundinformationen ausgestattet schauen wir uns nun an, wie mit dem Thema Glauben umgegangen werden muss, wenn es um Kommunikation im Unternehmen geht.
Dabei ist zunächst die Frage, wo wir im Unternehmen überhaupt die Auswirkung von Glauben erkennen können? Besonders deutlich sind Glaubensfragen im Bereich Führung zu sehen. „Was ist das Wichtigste für eine Führungskraft? Fachwissen!“ „Demokratie funktioniert in einem Unternehmen nicht!“ „Man muss Mitarbeiter immer mit einbeziehen!“ „Eine Führungskraft muss entscheidungsstark sein!“ Und so weiter und so weiter. Sie kennen sicher selbst die verschiedenen Gedanken, die uns allen bezüglich Führung im Kopf herumschwirren.
Weitere Felder, in denen es starke Glaubensinhalte gibt, sind:
Und natürlich gibt es sehr unternehmensspezifische Überzeugungen, die in der Historie begründet sind.
Identifizieren von Glauben im Unternehmen
Wichtig ist, diese starken Glaubensthemen zu identifizieren. Das ist oft gar nicht so schwierig, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Wenn Sie sich für diese Frage öffnen, erkennen Sie intuitiv, in welchen Bereichen Sie vermutlich starke Glaubensphänomene im Unternehmen finden werden. Intuition ist deswegen ein valides Instrument, weil Glauben an sich ein vollkommen subjektives Phänomen ist. Da Sie selbst Teil des Unternehmens sind, können Sie die verschiedenen Glauben und Überzeugungen „erspüren“.
Wenn Sie an einem bestimmten Thema arbeiten und Sie wissen wollen, was für einschränkende oder stärkende Glaubensüberzeugungen diesbezüglich vorherrschen, suchen Sie sich zunächst einen ruhigen Ort und eine ruhige Stunde (oder zumindest ein paar ruhige Minuten, die dürften für diese Übung schon ausreichen). Konzentrieren Sie sich auf das Thema, kreisen Sie in Gedanken um alle Punkte, die Ihnen dazu einfallen, gehen Sie gewissermaßen mit der Entwicklung, die Sie anstreben, „schwanger“. Ob Sie es wollen oder nicht, es werden Bilder und Worte in Ihrem Innern aufsteigen.
Manche dieser Bilder und Begriffe haben etwas mit Ihnen selbst zu tun, sind also kein kollektives Glaubensphänomen. Diese sind bestimmt durch Ihre eigenen Interessen, Ängste und Hoffnungen. Andere sind kollektiver Natur und wirken damit in den Köpfen bzw. in den Herzen einer Vielzahl von Mitarbeitern. Um zu wissen, ob es sich um einen solchen kollektiven Glauben handelt, können Sie sich einfach ein Gespräch unter Kollegen vorstellen. Welche Aussagen würden zu diesem Thema getroffen werden? Spiegelt sich darin der Glaube, den Sie vermuten? Da Sie Ihre Kollegen und Ihr Unternehmen gut kennen, ist es recht wahrscheinlich, dass Sie richtig liegen.
Ist das Thema ausreichend wichtig, hängt viel für Sie persönlich und für Ihr Unternehmen von diesem Thema ab und lohnt eine weitere Überprüfung. Diese können Sie ebenfalls recht einfach durchführen, indem Sie die Gespräche, die Sie zuvor imaginiert haben, tatsächlich durchführen. Dazu braucht es keinen formellen Rahmen. Im Gegenteil, es kann auch zwischen Tür und Angel passieren. Gerade, wenn es schnell geht, und Ihr Gesprächspartner eigentlich gar nicht richtig bei der Sache ist (Tür und Angel eben), lassen sich die Überzeugungen besonders gut erkennen. Die Aussagen und Antworten kommen nicht wohldurchdacht, sondern instinktiv. Ihr Gesprächspartner nutz den schnellen Teil des Verstandes[3] und der wiederum greift auf vorgefertigte Antworten zurück. Mit anderen Worten, der Mechanismus des „Glaubens“ greift. Wenn ähnliche Aussagen von mehreren Gesprächspartnern kommen, können Sie ziemlich sicher davon ausgehen, einen Glauben entdeckt zu haben.
Wenn dieser Glaube die Richtung, in die Ihr Projekt gehen soll, bestärkt, umso besser. Dann können Sie die Welle surfen. Dann sprechen Sie in Ihrer Kommunikation mit viel Bestimmtheit und mit dem Ausdruck größter eigener Überzeugung. Da Sie damit die Überzeugungen der anderen laut aussprechen, kommen Sie auf jeden Fall gut an und die Empfänger Ihrer Botschaft werden Ihnen vertrauen.
Wenn Sie aber gegen den allgemeinen Glaubensstrom schwimmen müssen, sieht es etwas anders aus. Dann gilt es, vorsichtig zu sein, da Sie hier mit Argumenten nichts ausrichten können. In Anbetracht einer solchen… MOMENT MAL, werden Sie mich jetzt vielleicht unterbrechen. Was soll das heißen, mit Argumenten lässt sich hier nichts ausrichten?? Ja, das ist leider so. Die Geschichte von Max Planck deutet das bereits an. Der gute Mann wollte auf Biegen und Brechen die Realität (=Fakten) an seinen Glauben (=die Überzeugung der Physiker im 19. Jahrhundert) anpassen. Allerdings hatte Planck keine andere Wahl. Er musste sich von den „Argumenten“ der beobachteten Realität überzeugen lassen, da sein „Gesprächspartner“ die Natur selbst war und er unbedingt die Rätsel lösen wollte. Außerdem müssen wir vermuten, dass Planck ein großer Geist war, der genug Flexibilität hatte, um seine Welt neu zu denken.
Doch in der Regel haben unsere Ansprechpartner gar keinen Grund, ihre Überzeugungen aufzugeben. Sie wollen nicht die Rätsel der Welt lösen und sind meistens auch nicht auf einem Selbstfindungstrip, bei dem sie sich hinterfragen. Nein, sie wollen einfach in Ruhe ihre Arbeit machen und am Monatsende ihr Geld auf dem Konto haben. Da brauchen Sie ihnen gar nicht mit Grundsatzfragen zu kommen. Das ist die eine Seite. Die andere Seite sind Argumente selbst. Warum taugen Argumente wenig, um einen Glauben zu erschüttern? Wenn Sie ein Argument vorbringen, sprechen Sie in der Regel von Tatsachen. Zumindest sehen Sie das so. Doch der Andere kann, gerade aufgrund seines Glaubens, die Welt anders wahrnehmen. Somit ist das, was Sie (verzweifelt) als Fakt bezeichnen, für Ihr Gegenüber längst nicht bewiesen, schlichtweg falsch oder wird vollkommen anders interpretiert. Je mehr Sie eine Veränderung anstreben, die dem Glauben der Anderen entgegensteht, desto mehr Zweifel an Ihren Argumenten werden die Adressaten Ihrer Rede haben. Und – schlechte Nachricht – dagegen können Sie wenig ausrichten. Nein, ich korrigiere, dagegen können Sie gar nichts ausrichten.
Das ist aber gar nicht so schlimm, denn es gibt zum Glück einen Workaround. Anstatt uns auf das zu fokussieren, was unsere Kollegen und Mitarbeiter anders als wir sehen, sprechen wir die Dinge an, die zum einen unserem Ziel dienen, zum anderen aber auch mit deren Glauben zusammenpasst. Stellen Sie sich vor, Sie wollen ein Produkt innovativer als bisher gestalten und sind zusätzlich darauf aus, es nachhaltiger als bisher zu machen. Doch Ihre Mitarbeiter sind traditionell eher konservativ und hegen daher gegenüber Innovation ein gewisses Misstrauen. Außerdem finden sie „Nachhaltigkeit“ suspekt. Natürlich projizieren sie diese Überzeugungen auch auf die Kunden. Sie werden Ihnen sagen: „Unsere Kunden wollen solche neumodischen Experimente ist. Außerdem sind sie nicht bereit, den Aufpreis für mehr Nachhaltigkeit zu zahlen. Glauben Sie uns, wir wissen das genau, schließlich sind es unsere Kunden.“ Solche oder ähnliche Reden müssen Sie sich ständig anhören. Falsch wäre nun mit Argumenten zu kontern, z. B.:
Möglicherweise werden Ihre Mitarbeiter irgendwann – ganz zermürbt – nachgeben und mitmachen. Allerdings ohne Überzeugung. Denn für jedes Ihrer Argumente finden sie ein Gegenargument. Und da, wo sie keines finden, werden sie einfach sagen: „Das glaube ich nicht, da kann etwas nicht stimmen.“ Was wollen Sie darauf noch antworten? Am besten gar nichts. Günstigerweise gibt es in unserem Beispiel aber einen weiteren Glauben, den die Mitarbeiter hegen und pflegen. Und das ist die Überzeugung, dass der Erfolg des Unternehmens von der besonderen Langlebigkeit der Produkte herkommt. „Unsere Kunde wollen stabile Produkte. Ihnen ist Sicherheit das Wichtigste.“ Und wie es der Zufall so will, stecken in den Innovationen, die Ihnen vorschweben und gerade auch in Verbindung mit Ihren Nachhaltigkeitszielen große Chancen, das Produkt noch haltbarer und zuverlässiger zu machen. Diese Tatsache ist auch für Ihre Mitarbeiter zu erkennen, deren technisches Verständnis deckt sich an dieser Stelle mit dem Ihrigen. Also werden Sie sich in der internen Kommunikation vorrangig auf diesen Aspekt konzentrieren. Anstatt die Order auszugeben, die Innovation voranzutreiben und nachhaltige Produkte zu entwickeln, geben Sie Ihren Mitarbeitern einen anderen Fixpunkt für die Entwicklung: Stabilität und Verlässlichkeit des Produkts sollen erhöht werden. Dass dies mit Technologien zu erreichen ist, die sowohl innovativer als auch nachhaltiger sind, spielt für Ihre Kommunikation eine untergeordnete Rolle.
Natürlich ist die Realität etwas vielschichtiger. Das erkennt jede Führungskraft, die meine Ausführungen liest, sofort. Im Prinzip funktioniert es dennoch so. In der Praxis müssen Sie sich die Zeit nehmen, die Überzeugungen Ihrer Mitarbeiter genau zu verstehen und herausfinden, wo die Berührungspunkte mit Ihren eigenen Überzeugungen sind, die sich auf dem Weg zum Ziel gut nutzen lassen.
Was uns selbst zumeist daran hindert, den richtigen gut vermittelbaren Weg der Kommunikation zu finden, ist unser eigener Glaube…
Zusammenfassung/Überblick:
[1] siehe dazu auch die Beiträge „Das Unternehmen wünscht“ und „Regeln“
[2] siehe dazu das hervorragende Buch von Manjit Kumar (auch auf der Seite Inspiration zu finden)
[3] siehe dazu das Buch von Daniel Kahnemann „Schnelles Denken, langsames Denken“ (Inspiration)